Die Revolution im Literaturwesen
Wo stehen wir mit unseren Idealen von Literatur, Kunst, Kommerz? Was ist Kritik? Was ist Geschmacksurteil? Was ist der ästhetische Maßstab? Wie können wir eine größere Eigenständigkeit erlangen in unserem Denken, in unseren Werturteilen und in unserem Handeln? Mein Stichwort für das neue Schreibhaus ist Selfempowerment der Autoren!
@VictorEremita Ich finde deine Idee, dein Buch auf Spendenbasis zu verschenken sehr gut. Mir ist der Kommerz dieser Welt völlig egal. Ich will es dir an einem Beispiel mit meinem Buch demonstrieren: «Trau, schau, wem. Ein Bilderbuch über Liebe, Verrat und Tod»:
Vergangenen Sommer arbeitete ich mit einem Malerkollegen aus
Frankfurt an einem Buch, dessen Entstehung durch eine Liebe, die
genau den Sommer lang andauerte, beschleunigt wurde. Im Herbst war es
aus und das Buch knapp zur Buchmesse Frankfurt fertig.
Früher hätte der Druck mehrere Tausend Euro gekostet, denn die
Bilder des Malerkollegen waren farbig und hätten an Wirkung auch
verloren, wenn man sie nur schwarz-weiß gedruckt hätte.
Es konnte nur in Hardcover im Format von 27 x 19 cm erscheinen,
weil die Digitaltechnik das heute ermöglicht. In meiner Jugend gab
es diese Möglichkeit nicht, und das Bücherproduzieren war mit sehr
viel Geld verbunden und man als Künstler auf einen Verlag
angewiesen. Er übernahm die Druck-, Werbungs- und Vertriebskosten,
lagerte das Buch und lieferte es an Buchläden aus. Das bedarf einer
größeren Infrastruktur, über die wir uns als Künstler selten
Gedanken machen: Die Werbung muss stimmen, die Plakate dazu,
womöglich eine nicht gerade billige Anzeige in den Printmedien, um
die mögliche Leserschaft zu erreichen, Verlagsvertreter, die die
Buchhändler davon überzeugen müssen, dem Buch in ihrem Laden und
Schaufenster einen besonders auffälligen Platz zu geben usw. usf.
Verleger brauchen auch nette und immer gepflegte Kontakte zur Presse,
um mit ihren Publikationen in die Medien und ins Gespräch zu kommen.
Diese Infrastruktur mit dem damit verbundenen Kapital macht die Macht
eines Verlages aus.
Ich hatte das Glück, die beginnende digitale Revolution von
Anfang an mitzuerleben. Mich interessiert nicht allein die ideelle
Seite der Literaturproduktion, sondern auch die wirtschaftliche und
technische und darüber die politische. Daher halte ich auch meine
@Schreibhaus - Idee für eine
ganz besondere, die sich momentan mal wieder im Umbruch befindet.
Aber dazu später mehr.
Dieser Umbruch ist so lebendig für mich: Ein Freund, von Beruf
Lithograph und Setzer, stand vor meinem Textzentrum in Essen, das ich
vor drei Jahren geschlossen habe, zeigte in dem Gebäudekomplex auf
ein Fenster und sagte: «Da habe ich meine Lehre gemacht». Das
Girardet Haus war von je her ein großes Verlags- und Druckhaus; hier
wurden Zeitungen, Zeitschriften und Kaufhauskataloge für die ganze
BRD gedruckt und verteilt. Nun ist davon nichts mehr zu sehen: es ist
ein Laden-, Büro-, Geschäftshaus mit Arztpraxen, Apotheken und
Klinik und einem Theater im Keller, in dem ich arbeite.
Ein Haus, das ein ganzes Stadtviertel geprägt hat, (Haus-Nr.
2-38) verlor seine Bedeutung und musste völlig neu gestaltet werden.
Eine Lehrerin, die ihre ehemalige Schülerin, die bei mir ein
Praktikum machte, besuchte, fragte sie, ob sie denn wisse, was dieses
Haus einst gewesen sei. Ja, sie wusste es schon. Ich hatte ihr damit
in den Ohren gelegen ;)
Nun hat die Branche das Gefühl, das Schlimmste überstanden zu
haben. Aber der Wandel fand noch vor der Entwicklung der sozialen
Medien statt. Diese Revolution ist längst nicht abgeschlossen.
@VictorEremita Die Geschichte des Druckwesens im Abriss und ein Beispiel, wie man heute als Produzent Bücher verschenken kann:
Uri Bülbül
Zurück zu «Trau, schau, wem»: Auf der Frankfurter Buchmesse
traf ich einen Kollegen vom Aufbau-Verlag am Stand; wir plauderten,
er schenkte meiner Praktikantin und mir jeweils ein zu uns passendes
Buch - er ist Verlagsvertreter der alten Schule und darauf angewiesen
zu Persönlichkeiten, die er schnell einschätzen muss, passende
Bücher zu empfehlen. Die Buchhändler müssen diese Empfehlungen
instinktsicher aufgreifen und an ihre Kunden passend weiter geben:
einem Flugtechnik interessierten Ingenieur einen historischen
Liebesroman zu empfehlen kann mitunter falsch oder gerade richtig
sein, je nachdem wofür und für wen er ein Buch sucht. Das ist die
Kunst von Buchhändlern.
Ich hingegen, passend oder unpassend, schenkte dem Kollegen «Trau,
schau, wem». Kaum waren wir zehn Meter weiter gegangen, rief jemand
meinen Namen, ich hatte gerade den Stand des Wagenbach-Verlags hinter
mir gelassen, von dem ich mich als literarische Zicke beleidigt vor
etwa zehn Jahren schon abgewandt habe. Damals schrieb ich an den
großen, legendären Verleger Klaus Wagenbach einen Bittbrief mit
meinem Manuskript, er möge es bitte, wenn er es schon nicht
veröffentlichen möchte, weil er es womöglich für schlecht hält,
kritisch, offen und ehrlich rezensieren. Was kam zurück? Ein
formales Ablehnungsschreiben von irgendjemandem aus dem Verlag, meine
Novelle «Brachland» passe nicht in das Verlagsprogramm. Was ein
absoluter Nonsense ist, denn gerade diese Novelle hätte, wenn
womöglich nicht qualitativ aber doch thematisch sehr wohl ins
Programm gepasst.
Nun also in Frankfurt hörte ich meinen Namen, drehte mich um und
erkannte einen befreundeten, sehr, sehr lieben Professor aus Essen
mich rufen. Ich freute mich sehr über die Begegnung, wir umarmten
uns und er versuchte mich, der etwas schnöseligen Dame vorzustellen,
die attraktiv aufgetakelt neben uns stand. Offenbar kannten sich die
beiden sehr gut. Er lobte mich in den höchsten Tönen und sie müsse
unbedingt mal ein Manuskript von mir lesen und gegebenenfalls
veröffentlichen. Die Dame sah auf meine Arbeitssicherheitsschuhe,
schlampige Hose, den ollen Pullover und war ganz offensichtlich
irritiert darüber, dass der einflussreiche und bekannte Professor
der Sozialwissenschaften, Insitutsleiter in Essen und verschiedenen
Beiräten u.a. im Beirat der Bundeszentrale für politische Bildung
mich so gut und vertraut kannte. Was um Himmels Willen sollte sie mit
so einem Gammler, der sich offensichtlich in der Etage geirrt hatte?
Ich sagte, ich hätte leider mein letztes Exemplar bereits
verschenkt. Aber ich könnte noch einen Flyer ihr da lassen, und wenn
sie Interesse habe, könne sie sich ja bei mir melden. Irritiert über
diese Unverschämtheit nahm sie den Flyer an, wahrscheinlich um ihn
gleich in den Papierkorb zu befördern. Mein Bekannter lachte: «Uri,
so geht das nicht.» Oh, doch gerade so geht das. Jetzt, da ich auf
das Selfempowerment von Autoren setze und diese fördern will, würde
ich mich niemals mehr dem alten Verlagswesen verkaufen.
Ein etwas zu lang geratener Beitrag für @VictorEremita zum Verlagswesen und zur Revolution in der Literatur. Aber irgendwann hätte ich diese Gedanken sowieso geschrieben. Warum also nicht in der ask-Diaspora - selbst hier finde ich Interessenten :)
Uri Bülbül
Kaum wieder in Essen angekommen, tütete ich ein Exemplar von
«Trau, schau, wem» ein uns adressierte es an das Insitut meines
lieben Bekannten mit einem Begleitschreiben, in dem ich mein
Verhältnis zum Wagenbach-Verlag zu erklären versuchte. Vor einigen
Wochen gingen wir gemeinsam essen und er hatte das Buch dabei und bis
zur Hälfte gelesen und ganz viele Stellen unterstrichen. Aber meinen
Einwand verstehe er nicht, was den Verlag anbelangt. Andererseits
musste er selbst zugeben, dass zu den Konditionen, wie ich das Buch
herausgebracht hatte, der Verlag dieses Buch niemals publizieren
könne. Das finanzielle Risiko sei viel zu hoch. Seine Bücher werden
bei Wagenbach-Verlag deshalb publiziert, weil der Verlag neben dem
Verkauf auch Lizenzgeschäfte mit der Bundeszentrale für politische
Bildung machen kann, die dann die Bücher deutlich günstiger unter
die Leute bringt. Das ist Kapitalismus pur mit einem profitablen
Subventionswesen.
Ich aber setze auf die Freiheit der sozialen Netzwerke, Nischen
und kleinen Kreise wirklich interessierter Menschen und deren Liebe
und Akzeptanz zu meinen Arbeiten. Da finde ich Victor Eremitas
Bemerkung: «Auch auf ökonomischen Erfolg habe ich es nicht im
mindesten abgesehen...Dann an Freunde, Bekannte gegen freiwillige
Spende verschenken und den Rest aufbewahren und sehen was passiert»
äußerst zutreffend und mit meinem Ideal kompatibel.
Kultur ist keine Ware, Kultur ist ein ideeller Wert! Und dieser
ideelle Wert kann in der virtuellen Welt der digitalen Möglichkeiten
auch ideell bleiben und materialisiert sich auf eine ganz neue Weise.
An Victor Eremita angelehnt werde ich die theoretisch teuerste
Buchproduktion aus meinem Bereich völlig kostenlos aber eben nur als
PDF hier euch zur Verfügung stellen. Wer das Buch auf Papier und
gebunden ins Regal stellen will, muss dafür den materiellen Aufwand
tatsächlich bezahlen. Der ideelle Wert des Buches bleibt aber davon
unberührt.
Hier ist die Datei zum Download: http://www.schreibhaus.de/Trau_schau_wem.pdf
Und hier bei Google: https://books.google.de/books?id=_O8-DQAAQBAJ&pg=PA2&lpg=PA2&dq=B%C3%BClb%C3%BCl+Trau,+schau,+wem&source=bl&ots=Ctzs22G1fN&sig=CmOr_uNHsQmo7RRdeVEENmAtF78&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwio7rqC9_jRAhWBkhQKHRE-CvcQ6AEILjAD#v=onepage&q=B%C3%BClb%C3%BCl%20Trau%2C%20schau%2C%20wem&f=false
Und hier das Buch zum Kaufen: https://www.amazon.de/Trau-schau-wem-Bilderbuch-Verrat/dp/374128226X
Hier ist die Datei zum Download: http://www.schreibhaus.de/Trau_schau_wem.pdf
Und hier bei Google: https://books.google.de/books?id=_O8-DQAAQBAJ&pg=PA2&lpg=PA2&dq=B%C3%BClb%C3%BCl+Trau,+schau,+wem&source=bl&ots=Ctzs22G1fN&sig=CmOr_uNHsQmo7RRdeVEENmAtF78&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwio7rqC9_jRAhWBkhQKHRE-CvcQ6AEILjAD#v=onepage&q=B%C3%BClb%C3%BCl%20Trau%2C%20schau%2C%20wem&f=false
Und hier das Buch zum Kaufen: https://www.amazon.de/Trau-schau-wem-Bilderbuch-Verrat/dp/374128226X
Und in meinem Schreibhaus können Gleich- oder ähnlich Gesinnte
über alternative Formen des Lebens und Handelns in Kunst und Kultur
nachdenken. Ich erarbeite greade die neuen Internetseiten. Fragen
dazu @Schreibhaus :)
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